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Eva Krähan: Eine missbrauchte Frau

1699 - 17
Ende April 1745 gebar die ledige, 46-jährige Eva Krähan (1699–) eine Tochter. Als der Rat die Hebamme Veronika Henggeler fragte, ob sie die Gebärende nach dem Kindsvater ausgeforscht habe, nannte sie den verheirateten Löwenwirt Josef Meier. Eva bestätigte, "dass es aus aller Abrechnung der Zeit" nur dieser sein könne. Der Rat beschloss deshalb, das Kind dem Löwenwirt zu übergeben.

Das Verfahren zur Feststellung von Vätern unehelichen Kindern war demütigend, die Strafe hart, die Ächtung zerstörend. Die Gebärende war der schwächste Teil in einem Prozess, in dem gegensätzliche Interessen aufeinanderprallten: Die Obrigkeit wollte sich ein Problem vom Hals schaffen. Der Kindsvater suchte sich oft der Verantwortung zu entziehen. Den Verwandtschaften ging es um die Familienehre und materielle Belastungen. Die Hebamme stand zwischen Mitgefühl und Loyalität. Der Pfarrer sah Sitte und Moral bedroht, sorgte sich aber auch um das gefährdete Kindswohl, besonders in religiöser Hinsicht.

Die Angelegenheit mit Eva Krähan entwickelte sich zur pikanten Affäre mit tragischen Zügen, die einige Blicke in das reale Dorfleben ausserhalb der normierten Moral gewährt. Schon vor der Geburt waren der Löwenwirt Josef Meier und der Ochsenwirt Josef Rogenmoser wegen der Vaterschaft aneinandergeraten. Meier wehrte sich vehement gegen die Kindszuweisung, worauf die nochmals ausgefragte Eva bekannte, sie habe gemeint, es könne nur der Löwenwirt sein. Dann habe sie Skrupel bekommen, da es auch der Ochsenwirt oder Ventura Moos von Zug hätte sein können. In den Ostertagen sei die Hebamme Veronika Henggeler zu ihr gekommen und habe gefragt, ob sie bald kindbette. Sie habe geantwortet, sie "wüsse nit wan". Sie "seie bei einem Zuger gewesen und bei dem Leuwenwirth und Ochsenwirth". Die Hebamme habe darauf gesagt, "es schike sich nit, dem Ochsenwirth zu geben, dan es habe ihme abgeredt, es schicke sich auch nit, den Zuger als einen Frömbden zu Schanden zu machen". Bei der Geburt habe die Hebamme nochmals gefragt. So kam der Löwenwirt zu seinem Kind.

Da Eva Krähan einen falschen Eid abgelegt hatte, wurde sie hart bestraft und aus dem Kanton verbannt. Das Kind kam zu ihren Geschwistern und starb bald. Ebenso zitierte der Rat die drei möglichen Väter. Meier und Moos kamen glimpflich davon. Der Ochsenwirt wurde härter angefasst, da er vor dem Löwen Radau gemacht, das Haus als "Huoren Haus" bezeichnet und Wirt und Obrigkeit beschimpft hatte. Er musste Abbitte leisten und beichten, wurde eingesperrt und vor der Kirche ausgestellt. Der Löwenwirt und der Ochsenwirt wurden zudem wegen ihrer "Huorerey" vom Ägerer Rat zur Rechenschaft gezogen. Meier kam mit einer Busse davon. Rogenmoser musste mit einer brennenden Kerze vor der Kirchentüre stehen. Die Hebamme wurde entlassen, da sie sich übel aufgeführt und die Kindsmutter zu ihrem falschen Eid angestiftet habe.

Die harte Strafe gegen Krähan wurde nicht strikt vollzogen. Als ihr Bruder der Obrigkeit schilderte, wie seine Schwester verzweifelt sei und wie er sich vor der Nachricht fürchte, dass "sein Schwester sich etwan erhenckhet oder leibloos gemacht" habe, zeigte sich der Rat gnädig und milderte die Verbannung in eine Eingrenzung in die Gemeinde Ägeri. 1757 macht Eva nochmals von sich zu reden, als sie aus unbekannten Gründen in der Kirche mit den Fäusten traktiert wurde. Danach verliert sich ihre Spur.